Flucht aufgrund der Klimakrise: Was sagen die Parteien?

Am Sonntag, dem 11. Oktober 2020 wird in Wien gewählt. Dementsprechend haben wir von UNSA Anfragen an alle größeren Parteien und deren Jugendorganisationen geschickt und sie um ein Statement gebeten. Einige Parteien haben sich leider nicht gemeldet und die Möglichkeit, sich zu positionieren ungenutzt gelassen. Daraus könnte man schließen, dass Klimamigration leider immer noch ein Thema ist, dass nicht im Fokus der österreichischen Politik liegt oder auch bewusst ignoriert wird. Im Hinblick auf das brennende Lager Moria und Österreichs Desinteresse an der Aufnahme von Geflüchteten, ist die zweite Möglichkeit durchaus nicht unwahrscheinlich. Dennoch haben uns einige Parteien oder Parteiorganisationen Statements geschickt, die wir hiermit veröffentlichen, damit Du einen kleinen Einblick bekommst, wie österreichische Politiker über Klimamigration denken.

*Die hier veröffentlichten Meinungen und Statements spiegeln ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autoren wieder.

Stefan Gara von den Neos

Selbstverständlich ist Klimamigration eine große Herausforderung, die mit Fortschreiten der Klimakrise immer größer wird und alle entwickelten Länder betrifft. Öffentliche Entwicklungshilfeleistungen sind die Grundlage dafür, in Partnerländern eine Verbesserung der Lebensqualität der Menschen zu erreichen. Österreich verteilt seine ohnehin dürftigen Mittel für Entwicklungs-Zusammenarbeit ohne klare Strategie und nach dem Gießkannenprinzip auf zu viele Empfänger. Wir sind mittelfristig für eine Vergemeinschaftung der finanziellen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit auf europäischer Ebene. Alle Agenden und Mittel der EZA sollen in einer EU-Implementierungsagentur zusammengefasst werden. Ein Schwerpunkt dieser Förderungen sollte den vom Klimawandel besonders betroffenen Regionen gelten.

Paul Stich von der Sozialistischen Jugend Österreich

Die Flucht von Millionen Menschen vor den Folgen der Klimakrise ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Auch in Österreich betrifft uns das. Einerseits weil die Auswirkungen dieser Krise auch hier immer spürbarer werden, andererseits weil gerade wir als Industriestaaten politisch in der Verantwortung stehen, sie zu stoppen. Was wir dagegen tun können? Zum Beispiel für eine klimafreundliche Handelspolitik einstehen, Menschen von unserer Idee einer klimafreundlichen Zukunft begeistern und in weiterer Folge unser Wirtschaftssystem Stück für Stück umbauen. Sodass nicht die Profite von Konzernen im Mittelpunkt stehen, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt. Und niemand mehr durch die Klimakrise seine Heimat verliert.

Karolina Januszewski von den Grünen

Klimaschutz und Menschenrechtsschutz sind zwei grüne Kernanliegen, die in einem engen Zusammenhang stehen. Eine zentrale Frage, die beide Themen miteinander verbindet, ist wie Menschen ihre Beziehung zur Natur nachhaltig und gerecht, also zukunftsfähig, gestalten können. Der Klimawandel ist eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit, die gravierende Auswirkungen auf die Menschenrechte und unseren Lebensraum hat. Klimawandel ist also auch ein menschenrechtliches Problem, das bestehende Ungerechtigkeiten wie Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit, Dürre oder auch Korruption und politische Unterdrückung wesentlich verstärken wird, wenn wir nicht gemeinsam und entschieden tätig werden. Es gilt daher Klimawandel weiterhin in den politischen Debatten und Foren ganz oben auf die Agenda zu setzen, um rasch globale, gerechte und nachhaltige Lösungsansätze und Maßnahmen voranzutreiben.

Ebenso wie der Klimawandel bestimmen die komplexen Phänome der Migration, Flucht und Vertreibung den politischen Diskurs. 2015 kamen über eine Million Menschen vorwiegend aus Syrien nach Mitteleuropa. Der Sommer war geprägt von einer politischen Paralyse in Österreich und auf EU-Ebene, die mitunter bis heute anhält. Angesichts dieses politischen Vakuums sprang damals die Zivilgesellschaft ein und nahm die Verantwortung wahr, Flüchtlingen Schutz und Perspektiven zu bieten. Diese Tage erinnern wir daran, dass auch 5 Jahre danach Wegschauen keine Lösung ist.

Fakt ist: Weder Klimawandel noch Vertreibung und Flucht sind kurzzeitige Phänomene, sondern die größten Herausforderungen unserer Zeit, der wir uns stellen müssen. Klimakrise, Ressourcenknappheit und Pandemien können zudem als Verstärker wirken und die Not und Armut vieler Menschen verschlimmern und sie mitunter auch dazu bewegen oder sogar zwingen, ihren Heimatort zu verlassen.

Darüber hinaus ist es uns ein zentrales Anliegen zu vermitteln, dass menschliche Mobilität Teil der Menschheitsgeschichte ist. Sie ist Teil der menschlichen Resilienzen, also eine Bewältigungsstrategie, um mit Gefahren fürs Leben und der Zerstörung des Lebensraumes umzugehen. Migration ist auch ein Mittel des Empowerments, da sie erlaubt, das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen. Vor allem war und ist Migration Quelle von menschlicher Produktivität, Innovation und des Fortschritts. Demographische und wirtschaftliche Entwicklungen machen auch deutlich, dass Migration systemrelevant ist, hier in Österreich und weltweit.

Wir sollten also aufhören von Migration rein als Herausforderung zu sprechen, und sie endlich als Notwendigkeit und Chance begreifen. Daher fordern wir Grüne für die innerstaatliche Ebene die rasche Umsetzung der unter Türkis-Grün vereinbarten gesamtheitlichen Migrationsstrategie für sichere, geordnete und reguläre Migration. Der Ende 2018 verabschiedete "Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration" (besser bekannt als „Migrationspakt“, dem Österreich leider unter Türkis-Blau nicht beigetreten ist), bietet einen guten Rahmen, das Thema global, regional und lokal zu denken, und darüber hinaus auch den Aspekt der klimabedingten Migration miteinzubeziehen.

Immer wieder tauchen in Politik und Medien (oftmals in alarmistischer Manier) Berichte auf, dass Millionen Menschen aufgrund des Klimawandels nach Europa fliehen werden. Auch die Forschung beschäftigt sich vermehrt mit dem Thema klimabedingte Migration, wobei noch keine einheitliche Begrifflichkeit gefunden wurde, um sich mit dem Phänomen zu befassen. Dies liegt vor allem daran, dass es sich bei Migration um ein hochkomplexes, multikausales Phänomen handelt. Umwelt- und Klimaveränderungen, die für sich genommen bereits sehr komplex und divers sind, können eine wesentliche Rolle spielen, weshalb sich Menschen dazu entscheiden, ihren Heimatort zu verlassen; allerdings spielen viele andere Faktoren ebenfalls eine Rolle. Diese Multikausalität spiegelt sich auch im Migrationspakt wider, der sich gleich zu Beginn unter anderem mit klimabedingter Migration befasst. Ebenso befasst sich die Nansen-Initiative mit dem Thema Naturkatastrophen, Flucht und Vertreibung.

Ziel dieser internationalen Initiativen ist es vor allem den Schutz für Menschen zu verbessern, die wegen Naturkatastrophen und der negativen Folgen von Klimawandel ihren Heimatort verlassen (müssen). Ebenso stellt die im Juli 2020 vom Europäischen Parlament veröffentlichte Studie des International Centre for Migration Policy Development zum Thema Klimawandel und Migration die Schutzagenda in den Mittelpunkt und erinnert daran, dass Migration als wesentliche menschliche Bewältigungsstrategie ermöglicht werden sollte. Neben umfassenden, zukunftsfähigen Klimamaßnahmen, die auch ein tiefgreifendes Umdenken im Bereich Welthandel hin zu fairer, grüner Wirtschaft erfordern, stellt die menschliche Mobilität somit einen Teil der Lösung dar.

Für die Grünen ist evidenzbasierte, lösungsorienterte Politik zentral. Multilaterale Zusammenarbeit ist gerade bei der Eindämmung der Klimakrise essentiell. Im Bereich klimabedingte Migration fordern wir daher unter anderem:

  1. Eine gemeinsame, menschenrechtsbasierte und zukunftsfähige europäische Migrationspolitik, die legale, sichere, zugängliche und geordnete Migrationsmöglichkeit schafft und klimabedingte Migration mitdenkt (u.a. Schaffung von Mobilitätspartnerschaften und Austauschprogrammen, vor allem auch um den Wissens- und Technologietransfer im Bereich Klimaschutz zu fördern; Erleichterung der Arbeitsmigration etc).
  2. Ein zukunftsfähiges und solidarisches europäisches Asylsystem basierend auf einheitlichen Standards und den Prinzipien des Menschenrechts- und Flüchtlingsschutzes, das unkompliziert auch bei klimabedingter Flucht und Vertreibung Flüchtlingen Schutz und Perspektiven bietet.
  3. Eine gesamtheitliche europäische Klimaschutzstrategie als Teil der europäischen und österreichischen Außenpolitik, um den Schutz der Umwelt und der Menschen zu stärken, die Resilienz zu fördern und Risiken nachhaltig zu minimieren. Die EU sollte seine Vorreiterrolle im Klimaschutz weltweit wahrnehmen. Klimaschutz, Menschenrechte, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Friedenspolitik sind zusammenzudenken.