Junges Engagement als Treibstoff für Klimagerechtigkeit

Ein sozialer Blick auf den Klimawandel

Zum ersten Mal in der Geschichte des Global Risk Report des World Economic Forums – einem der wichtigsten Berichte über globalen Risiken – sind die dort 2020 genannten fünf wahrscheinlichsten Bedrohungen der Erde alle auf Umweltbelastungen zurückzuführen. (1) Der Klimawandel und seine Auswirkungen werden immer deutlicher als ein zentrales Problem der Menschheit erkannt. Die Folgen des Treibhausgaseffekts führen beispielsweise zu Belastungen des Gesundheitssystems und verursachen Umweltschäden. Dies zieht massive volkswirtschaftliche Schäden nach sich. Wer diese Kosten zu tragen hat, ist mitunter eine Gerechtigkeitsfrage. (2)

Denn Nachhaltigkeit hat nicht nur ökologische und wirtschaftliche Aspekte, sondern muss auch aus einem sozialen Blickwinkel heraus betrachtet werden. Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit orientiert sich dabei einerseits an der Gerechtigkeit zwischen den nächsten und den zukünftigen Generationen. Anderseits ist die gerechte Verteilung der Umweltgüter innerhalb der jetzt lebenden Generationen angesprochen – sowohl zwischen arm und reich innerhalb der Gesellschaft, als auch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, da finanziell schwache Bevölkerungsgruppen immer zuerst von Ressourcenknappheit betroffen sind, die ihre Entwicklungschancen mindert. (3) Auf Grund des Anstiegs der Weltmeere, der zunehmenden Wüstenbildung und dem Tauen der Permafrostböden ist mit weltweiten an mehreren Orten gleichzeitig stattfindenden langanhaltenden Migrationsbewegungen zu rechnen. (4)

Auf besondere Weise betroffen sind Inselstaaten, deren Einwohnerinnen und Einwohner sich durch das Schmelzen der Polkappen und damit einhergehend dem Anstieg des Meeresspiegels mit dem Verlust ihrer Heimat konfrontiert sehen. (5) 2014 hat ein neuseeländisches Gericht in einem Urteil als einen von mehreren Asylgründen mitberücksichtigt, dass eine Familie aus Tuvalu – einem Inselstaat im Pazifischen Ozean – im Falle ihrer Rückkehr, die Gefahr drohen würde auf Grund der Bedrohung durch Sturmfluten und Hitze, Opfer des Klimawandels zu werden. Präzedenzwirkung für weitere Fälle hatte die Entscheidung jedoch nicht.(6) Aber auch West- und Mitteleuropa wird von klimabedingter Migration betroffen sein, die wirtschaftliche und sozialpolitische Auswirkungen nach sich zieht. (7) Und obwohl anerkannt ist, dass Migrationsentwicklungen von Umweltfaktoren stark beeinflusst werden können, entwickelt sich das Völkerrecht in diesem Bereich zögerlich (8) und es existiert keine verbindliche Definition des Begriffs „Klimaflüchtling“. (9)

Weiters sind auch hierzulande sozioökonomische Unterschiede bei der Betroffenheit von Umwelteinflüssen existent. So hat die Statistik Austria 2019 den Einfluss des Einkommens auf die Umweltbetroffenheit untersucht und festgestellt, dass armutsgefährdete Personen die Umweltsituation deutlich schlechter einschätzen als alle anderen Einkommensgruppen. Die Zufriedenheit mit der Lebensqualität steigt mit zunehmendem Einkommen und für Personen mit einem niedrigen Haushaltseinkommen ist die Belästigung durch Staub bzw. Ruß mit rund 17 % deutlich höher als für Personen mit mittlerem oder hohem Haushaltseinkommen. (10)

Das Recht, die eigene Zukunft mitzugestalten

„(…) Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern. Wir sind nicht hierhergekommen, um vor Weltpolitikern darum zu betteln, dass sie sich kümmern. Sie haben uns in der Vergangenheit ignoriert und Sie werden uns wieder ignorieren. Uns gehen langsam die Ausreden aus, uns läuft die Zeit davon! Wir sind hierhergekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass ein Wandel kommen wird, egal, ob Sie es wollen oder nicht. Die wirkliche Macht gehört den Menschen.“ Greta Thunberg, UN-Klimakonferenz in Kattowitz (ins Deutsche übersetzt) (11)

Der öffentliche Diskurs zu den Folgen des Klimawandels wurde von der „Fridays for Future“-bewegung neu entfacht. Sie zeigt, dass Kinder und Jugendliche die Macht haben, sich Gehör zu verschaffen und mehr Bewusstsein für ein Thema zu schaffen.

Nach der Konvention über die Rechte des Kindes – dem erfolgreichsten Menschenrechts-abkommen der Vereinten Nationen – haben Kinder und Jugendlichen das Recht in allen sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie das Recht sich friedlich zusammenzuschließen und zu versammeln. (12) Diese Rechte sollten genutzt werden, denn der Einsatz von jeder und jedem Einzelnen, wird dadurch zu einer Bewegung, die Einfluss auf Entscheidungsträgerinnen und -träger haben und die Welt verändern kann. Denn der Schutz der Umwelt und Nachhaltigkeit können nur funktionieren, wenn die Öffentlichkeit miteinbezogen wird.

Jede und jeder Einzelne ist gefordert – ob es darum geht das eigenen Konsumverhalten nachhaltiger zu gestalten, den Müll zu trennen oder darum, welchen ökologischen Fußabdruck man hinterlässt. Entscheidend ist die Summe der Einzelentscheidungen und das Klima kann umso effizienter geschützt werden, je weiter die Bewusstseinsbildung und die Akzeptanz für umweltschonendes Verhalten in der Gesellschaft voranschreitet. (13) Klimaflucht und Klimamigration sind Themen, für die in der Gesellschaft noch kein großes Bewusstsein besteht und in der Klimadebatte eher am Rande diskutiert werden. Sich für diese Themen zu interessieren, damit auseinanderzusetzen und darauf aufmerksam zu machen, ist wichtig, weil es auch der Mitwirkung der Basis der Gesellschaft zur Aufdeckung von Missständen bedarf. Und es bedeutet auch dafür einzutreten, dass alle Menschen, den gleichen Zugang zu Gesundheit und ein Recht auf eine saubere Umwelt, ausreichend Nahrungsmittel und Wasser und damit auf dieselben Chancen haben.

Wenn Kinder und Jugendliche für Menschenrechte eintreten und zu menschenrechtlichen Themen äußern, gestalten sie die Gesellschaft und damit ihre eigene Zukunft mit. Sie stärken die demokratischen Strukturen und mehr noch – sie stärken ihr eigenes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, wenn ihre Stimme gehört wird.

Ein Artikel von Stefanie Hunhndorf

Mag.a Stefanie Huhndorf, MA hat Rechtswissenschaften und Public Management studiert und ist seit April 2018 stellevertretende Leiterin des Menschenrechtsbüros des Stadt Wien.

Quellenangaben:

  1. Vgl. The Global Risks Report 2020 vom 15.1.2020, aufgerufen am 30.9.2020 unter: http://www3.weforum.org/docs/WEF_Global_Risk_Report_2020.pdf
  2. Vgl. Wagner/Fasching, Das Postulat der Gerechtigkeit im Umweltrecht Zugleich eine Betrachtung des Sustainable Development 16, öarr 2017, S 585.
  3. Vgl. Ebd., S 580ff.
  4. Vgl. Haussner, Grenzen des Flüchtlingsrechts: Zu Umwelt-, Klima- und Katastrophenflüchtlingen in Kettemann (Hrsg), Jan Sramek Verlag 2013, Grenzen im Völkerrecht, S 158.
  5. Vgl. Ebd., S 586.
  6. Vgl. Fähnders, Vom Meer verfolgt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.12.2017, aufgerufen am 29.09.2020.unter https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/neuseeland-will-visum-fuer-klimafluechtlinge-einfuehren-15321293.html.
  7. Vgl. Wagner/Fasching, a. a. O., S 586.
  8. Vgl. Haussner, a. a. O., S 153.
  9. Vgl. Ebd., S 156.
  10. Vgl. Statistik Austria, Umweltgerechtigkeit - Sozioökonomische Unterschiede bei von Umwelteinflüssen Betroffenen und im Umweltverhalten, S 11ff.
  11. Kögel/Liebetrau, Greta Thunberg, 15: "Mein Appell an die Welt", Der Tagesspiegel vom 20.12.2018, aufgerufen am 20.09.2020 unter https://www.tagesspiegel.de/berlin/klimaaktivistin-greta-thunberg-15-mein-appell-an-die-welt/23779892.html, ebenfalls abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=DGDMqyfK8UQ
  12. Vgl. Art. 12, 13 und 15 Konvention über die Rechte des Kindes
  13. Vgl. Wagner/Fasching, a. a. O., S 586.